Die Grundrechte schützen jeden vor der Macht des Staates und wirken auch zwischen den einzelnen Individuen. Für gelebte Freiheit und Demokratie ist es wichtig, die Regeln und Funktionsweisen seiner Umgebung zu verstehen. Darum ist es notwendig, staatsrechtliche Fragen zu verstehen und zu stellen. Im Staatsrecht und Verfassungsrecht werden viele spannende und existentiell bedeutsame Fragen behandelt. Was ist eigentlich Freiheit? Wer ist der Staat, Du, Ich, Wir? Wie funktioniert das Zusammenleben im deutschen Staat? Warum ist es gut, sich zu streiten? Wie finden wir Lösungen und Kompromisse bei Konflikten? Sophia Konermann, Studentin der Rechtswissenschaft, Politikwissenschaft & Philosophie und Tutorin an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg ist mit Geflüchteten aus Syrien, Eritrea, Ruanda, dem Iran, Irak, Afghanistan und Nicaragua diesen Fragen nachgegangen.
Im zweiten Teil des Kurses wurden die Grundrechte (vor allem Artikel 1 bis Artikel 6 GG) in einem Vortrag mit praktischen Beispielen beleuchtet und danach haben die TeilnehmerInnen in Gruppen einzelne Fälle gelöst. Zum Beispiel: Markus steht mit Freunden am Carré und pfeift Lilly hinterher, die gerade vorbeigeht, und berührt sie. Lilly findet das schrecklich. Auf welche Grundrechte beruft sich Markus und auf welche Lilly? Johanna sprüht während des Gottesdienstes das Kreuz mit roter Farbe an und verteilt Flyer an die Gemeinde mit der Information „Gott ist tot“. Auf welche Grundrechte beruft sich Johanna, auf welche die Pfarrerin? Bei den Fällen sollte gezeigt werden, dass persönliche Zwecke meistens legitim und vom Grundgesetz geschützt sind, solange Andere nicht durch die Wahl der Mittel verletzt werden. Im Zusammenleben mit anderen Menschen, also innerhalb einer Gesellschaft, sollte bei eigenen Handlungen nämlich stets das Wohl der Anderen mitgedacht werden, sodass alle Rechte und Interessen schonend miteinander ausgeglichen werden und bestenfalls nebeneinander existieren können.
Gemeinsam konnten wir für alle Fälle die passenden Grundrechte finden. Außerdem galt es, nach jedem Fall nach einer Lösung für die verschiedenen Interessen zu suchen. Dabei wurden die TeilnehmerInnen sehr kreativ. Oft wurde nach persönlicher Meinung und nach Strafen gefragt. Sophia Konermann ist überzeugt, dass niemand Grenzüberschreitungen, Freiheitsverletzungen und Strafen erleiden muss, wenn wir wissen, was individuelle Freiheit bedeutet und wenn wir verstehen, wie wir am Staat teilhaben können.
Natürlich darf man streiten, wiederholte die Referentin, muss man sogar, aber immer mit dem Ziel, dass alle das maximale Recht bekommen. Die deutsche Verfassung ist die Grundlage unserer Demokratie und sollte deshalb von jedem Bürger gelebt und wertgeschätzt werden.
Sehr dankbar sind wir, dass die Gemeinde von St. Jacobi uns die Pforten zum Gemeindesaal geöffnet und Pastor Storz sogar beim Kurs mitgemacht hat.
Manar Elmasmari