„Behördengänge erleichtern“

Rückblick: „Behördengänge erleichtern“,

Informations- und Austausch – Gespräch für Helfern in der Bonveno-Unterkunft Zieten mit Jawed Yazdani u. Annabel Konermann von Bonveno

„Es wird nicht genug für die Flüchtlinge getan“ Helfer und Helferinnen bedauern, dass die Geflüchteten allein gelassen sind in ihren Nöten, Amtsgängen, Verständnisfragen. Arbeitserlaubnis, Unterhaltszahlung, Deutschkurs-Finanzierung sind Angelegenheiten, die zu kompliziert und nicht allein zu bewältigen sind. Wie kann besser geholfen werden? Wie ist die Arbeitsteilung zwischen Ehrenamtlichen, Betreuern, Fallmanagern, Sachbearbeitern? Was kann einfacher werden? Wo liegen Grenzen? – Das sind Fragen, denen wir nachgegangen sind.

Rückblick: „Behördengänge erleichtern“, 27.8.2018 Informations- und Austausch – Gespräch für Helfer in der Bonveno-Unterkunft Zieten mit Jawed Yazdani u. Annabel Konermann von Bonveno

„Es wird nicht genug für die Flüchtlinge getan“ Helfer und Helferinnen bedauern, dass die Geflüchteten allein gelassen sind in ihren Nöten, Amtsgängen, Verständnisfragen. Arbeitserlaubnis, Unterhaltszahlung, Deutschkurs-Finanzierung sind Angelegenheiten, die zu kompliziert und nicht allein zu bewältigen sind. Wie kann besser geholfen werden? Wie ist die Arbeitsteilung zwischen Ehrenamtlichen, Betreuern, Fallmanagern, Sachbearbeitern? Was kann einfacher werden? Wo liegen Grenzen? – Das sind Fragen, denen wir nachgegangen sind.


Was sind die Aufgaben der Bonveno-Betreuer? Solange die Flüchtlinge in einer Bonveno-Unterkunft wohnen kümmern sie sich um: Sprach- /Integrationskurs, Schul- und Kindergarten-Plätze, Gesundheits-Versorgung- Versicherung, Behörden-Termine & - Anträge (Unterhalt AsylbLG, SGB II, Aufenthaltserlaubnis, Bildung und Teilhabe, Arbeitserlaubnis, Wohnungssuche ….), Bewerbungen für Praktika, Ausbildung, Arbeit……

Für wen ist das Sozialamt zuständig? Für alle Flüchtlinge, die von den Erstaufnahmelagern Göttingen zugewiesen werden, und solange die Flüchtlinge noch keinen Aufenthaltstitel haben bzw. ihr Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Alle Flüchtlinge, die Göttingen zugewiesen werden, haben eine Aufenthaltsgestattung. Das BAMF (Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge) entscheidet über den Schutzstatus und ob sie einen Aufenthalt bekommen: das kann ein Abschiebestopp von einem Jahr, ein Subsidiärer Schutz von einem Jahr oder eine Aufenthaltserlaubnis von drei Jahren sein. Wenn das BAMF entscheidet, dass die Flüchtlinge „Flüchtlingseigenschaft“ haben, dann bekommen sie drei Jahre Aufenthaltserlaubnis und einen Blauen Pass. (Asyl wird nur in Ausnahmefällen erteilt: nur wenn sie kein anderes europäisches Land vorher betreten haben, mit dem Flugzeug ankommen.) Über eine positive Entscheidung vom BAMF und den neuen Status werden die Flüchtlinge per Post informiert. Auch werden sie dann aufgefordert einen Antrag auf ALG II ((Arbeitslosengeld II) auch SGB II (Sozialgesetzbuch) genannt) beim Jobcenter zu stellen. Das Sozialamt stoppt die Unterhaltszahlung (Asylbewerberleistung AsylbLG), sobald die Flüchtlinge eine positive Entscheidung vom BAMF erhalten haben. (Wenn sie den Brief nicht verstanden haben und keinen Antrag gestellt haben, bekommen sie kein Geld überwiesen.)

Was macht das Sozialamt für die Flüchtlinge? Verteilung der Flüchtlinge auf die Unterkünfte, Bearbeitung der Anträge auf Asylbewerberleistungen, Wohnungssuche, -Vergabe, Bearbeitung der Anträge auf Wohnungs-Erstausstattung und Mehrbedarf bei Schwangerschaft, Krankheit), Gesundheitsversorgung….. (Menschen, deren Aufenthalt abgelehnt wird, dürfen oft auch in Privatwohnungen ziehen, bekommen allerdings keine Kaution und Erstausstattung erstattet.)

Für wen ist die Agentur für Arbeit zuständig? Sobald die Flüchtlinge nach Göttingen kommen, müssen sie sich alle bei der Agentur für Arbeit als arbeitssuchend melden. Dort bekommen sie einen Fallmanager zugewiesen. Solange noch keine positive Entscheidung im Asylverfahren getroffen wurde, bleibt der Fallmanager für sie zuständig. Im positiven Fall wechselt dann die Zuständigkeit zum Jobcenter.

Was macht die Agentur für Arbeit für die Flüchtlinge? Die jeweiligen Fallmanager senden ihnen regelmäßig einen Termin zu, bei dem über Deutschkurse, Weiterbildung, Ausbildungsmöglichkeiten und Arbeitssuche informiert wird. Dabei werden weitere notwendige Schritte besprochen. Werden diese Schritte von den Flüchtlingen nicht gegangen, können die finanziellen Zuwendungen stark gekürzt werden.

Für wen ist das Jobcenter zuständig? Sobald die Flüchtlinge einen Aufenthaltstitel (Abschiebestopp oder Subsidiären Schutz oder Flüchtlingseigenschaft/ Aufenthaltserlaubnis, Asyl) bekommen haben, müssen sie sich beim Jobcenter arbeitslos melden. Das ist für alle ALG II/ SGB II –Bezieher zuständig. Dann bekommen sie einen Sachbearbeiter und einen Fallmanager zugeteilt. Dann ist nicht mehr das Sozialamt für sie zuständig.

Was macht das Jobcenter für die Flüchtlinge? Jeder Geflüchtete bekommt einen Sachbearbeiter und einen Fallmanager zugewiesen. Der Sachbearbeiter bearbeitet die Anträge auf Unterhalt, Wohngeld, Wohnungserstausstattung, Krankenkasse, Mehrbedarf und der Fallmanager ist zuständig für Fragen zu Arbeit/ Ausbildung/ Schule/ fehlende Deutschkenntnisse/ Schulden).

Was macht die Ausländerbehörde für die Flüchtlinge? Bearbeitung der Anträge auf Aufenthaltsverlängerung und der Arbeitserlaubnis, Familiennachzug, Durchführung der Rückführung in das zuerst betretene Dublin-Land, in das Heimatland/ Abschiebung ….

Wie erfahren die Flüchtlinge, welche Anträge sie wo stellen müssen? Sie bekommen diese Informationen von den verschiedenen Behörden per Post. Wenn sie das Amtsdeutsch nicht verstehen, sollten sie in den Unterkünften zu ihrem Betreuer gehen oder wenn sie privat wohnen zu den Beratungsstellen Migrationszentrum der Diakonie und Migrationsberatung der Arbeiterwohlfahrt z.B.

Wieviel Unterhalt bekommen die Flüchtlinge pro Person? 416 Euro (bei Kindern gibt es eine Staffelung)

Bekommen die Flüchtlinge den gleichen Unterhalt, wenn Sie eine eigene Wohnung/ Zimmer beziehen? Ja, und dann müssen sie davon auch Strom bezahlen, was sie vorher in der Unterkunft nicht mussten.

Wie können die Ehrenamtlichen helfen bei den Anträgen, Behördengängen? Sie sollten erst die Flüchtlinge fragen, wer ihr Betreuer ist in den Unterkünften oder in den Beratungsstellen. Dann ist ein gemeinsamer Besuch beim Betreuer sehr hilfreich. Denn oft läuft bereits ein Antrag oder Vorgang, der durch weitere Nachfragen eher aufgehalten wird.

Wie bewältigen die Flüchtlinge diese enorme Komplexität? In den ersten Monaten sind sie vollständig mit diesen Behördengängen beschäftigt. Sie verbringen viele Wartestunden auf diversen Fluren. Oft sind sie deswegen noch nicht sehr offen für Angebote in der Stadt oder für Verabredungen mit Helfern. Jede Veränderung wie Privatwohnung, Ausbildung, Arbeitsplatz bedeutet eine neue bürokratische Welle für sie. Wenn sie die Flüchtlingsunterkunft verlassen haben, haben sie weniger personelle Unterstützung (durch die Betreuer in den Unterkünften).
Da sie oft nicht erfahren, was trotz gesetzlichen Verboten per Antragstellung doch erlaubt ist, sind sie nicht selten in ihrer Motivation für Arbeit und Ausbildung gebremst. Alle Flüchtlinge, die keine Aufenthaltserlaubnis haben, haben auch keine Arbeitserlaubnis. Wenn sie allerdings mit einer konkreten Arbeitszusage einen Antrag auf Arbeitserlaubnis dafür stellen, wird er meist genehmigt. Alle Flüchtlinge, die eine Ausbildung oder Arbeit beginnen, bekommen keine Zuwendungen mehr überwiesen. Viele wollen deswegen die Ausbildung abbrechen oder die Arbeit ablehnen. Allerdings können sie bei der Agentur für Arbeit bzw. beim Jobcenter einen Antrag stellen. Dann wird zum Beispiel ihr Ausbildungslohn von 400 Euro, der Minijoblohn von 450 Euro oder der Teilzeit-Lohn von 800 Euro „aufgestockt“.

Und weitere Fragen konnten an diesem Abend beantwortet werden. Doch gibt es permanent neue Regelungen und Bestimmungen, so dass die Betreuer sich auch immer bemühen müssen, auf dem aktuellen Stand der Informationen zu sein. Und umso tiefer man in die Materie eindringt, umso komplizierter erscheint einem das System zuerst. Aber überall trifft man Menschen an, die einem gerne dabei helfen!

Annabal Konermann